Kompromisse führen in die finale Klimakatastrophe
Klimaforscher Stefan Rahmstorf im Interview mit Tilo Jung am 01.12.2019
Auswertung eines fast zweistündigen Interviews
in Jung & Naiv - Folge 447
Vorab das Problem: Jährlich erscheinen ca. 20.000 Fachpublikationen von anerkannten Klimaforschern zu Klimafragen. Nicht alle kommen immer zu dem gleichen Ergebnis. Es ist die Frage, welche Überlegungen davon schließlich vom Weltklimarat (IPCC) in die IPCC-Assessments aufgenommen werden und auf diese Weise an die Öffentlichkeit und in die Hände der entscheidenden Politiker gelangen.
Strikte Verfahrensregeln des IPCC sollen verständlicher Weise dafür sorgen, dass der IPCC letztlich mit nur einer Stimme spricht. Eine der Verfahrensregeln enthält jedoch einen gravierenden Fehler, der nachfolgend durch Unterstreichung hervorgehoben ist. Diese Verfahrensregel lautet: Alle Mitgliedsländer des IPCC müssen der entsprechenden Fassung des Berichts zustimmen, bevor dieser veröffentlicht wird.
Die Lobbyisten der etablierten Fossilwirtschaft haben das letzte Wort: Nicht nur die für den IPCC tätigen Wissenschaftler, sondern auch die politischen Vertreter der Mitgliedsländer müssen zustimmen. Dieses Detail wirkt sich verhängnisvoll aus. Da auch Saudi-Arabien, Brasilien und die USA zu den Mitgliedsländern des IPCC gehören, gewährt ihnen diese Bestimmung in der Praxis ein Vetorecht gegen jede Äußerung, die den Interessen der Fossilwirtschaft schaden könnte.
Was würden die Wissenschaftler fordern? Für ernsthaft besorgte Menschen - z.B. auch für die engagierten Mitglieder der fridays for future Bewegung ist es natürlich von hohem Interesse, einmal zu erfahren, wie denn die Warnungen der Klimawissenschaftler eigentlich aussehen würden, wenn sie nicht von den politischen Vertretern der fossil-abhängigen IPCC Mitgliedsländer zurecht gestutzt und damit verharmlost worden wären.
Warum Stefan Rahmstorf fragen? Die Idee, zur Aufklärung dieser Frage ausgerechnet Professor Stefan Rahmstorf, den Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung zu interviewen, ist ein genialer Schachzug von Tilo Jung und seiner Naiv-Crew. Denn nur wenige Wissenschaftler dürften sich mit der Thematik so gut auskennen wie Rahmstorf, zu dessen Spezialgebieten die Paläoklimatologie und die Erdsystemanalyse gehören.
Es geht darum, aus der erdgeschichtlichen Klima-Vergangenheit Lehren für die Entwicklung der Klima-Zukunft zu ziehen. Dies geschieht mit Hilfe von "Klimamodellen".
Rahmstorf arbeitet mit Klimamodellen. Klimamodelle kann man sich so vorstellen, wie eine extrem ausführliche und genaue Wettervorhersage über Jahrzehnte, Jahrtausende, Jahrmillionen, die mit Supercomputern durchgeführt wird. Sie kann mit Hilfe der integrierten physikalischen Gesetze auch unerwartete Ereignisse wie Vulkanausbrüche oder zusätzliche Methangasausbrüche oder Änderungen der CO2Emissionsrate oder Veränderungen der Sonnenhelligkeit berücksichtigen.
Ein Klimamodell, das die Entwicklung der klimatischen Vergangenheit korrekt nachvollzieht, ist auch zur Vorhersage der zukünftigen Klimaentwicklung in der Lage, denn die physikalischen Gesetze sind in Zukunft die selben wie in der Vergangenheit.
Ausführlichere Informationen zu Klimamodellen bei Wikipedia
Wie äußert sich Prof. Stefan Rahmstorf zur zukünftigen Klimaentwicklung?
Um es kurz zu machen: Die wohl beunruhigendste Aussage zur zukünftigen Klimaentwicklung erfolgt zum Zeitpunkt 1:38:32 des ausführlichen Interviews und sie ist in naturwissenschaftlicher Hinsicht eine vernichtende Kritik. Um dem denkbaren Vorwurf zu begegnen, ich, WvF, als Verfasser dieses Textes hätte das Rahmstorf Interview sinnentstellend verkürzt, gebe ich es hier im folgenden Abschnitt wort-wörtlich wieder:
(..) Die Ursache der Eiszeiten, das sind ja die Zyklen der Erdbahn. Und wenn man die als Antrieb ins Modell reingibt, können wir die letzten 3 Mio Jahre Klimageschichte reproduzieren, inzwischen.
Also das Klima hat sich schon immer geändert, aber eben nicht ohne Grund. Es gab äußere Antriebe, die das verursacht haben, z.B. diese Erdbahnzyklen und man muss eben bei jeder Klimaveränderung verstehen, was war jetzt hier der Grund.
Und es gibt diesen schönen Vergleich: Wenn man jetzt hier ne Leiche findet mit nem Messer im Rücken, dann kann man natürlich auch sagen:
Ja, Menschen sterben doch schon seit jeher eines natürlichen Todes. Also muss der auch eines natürlichen Todes gestorben sein.Aber wenn man eben die klaren Indizien hat, dass es kein natürlicher Tod war, wäre das natürlich töricht. Und genauso ist es mit der globalen Erwärmung.
Ich hab ja schon erwähnt: Wir wissen, wodurch die Strahlungsbilanz unserer Erde so verändert worden ist, dass wir jetzt mehr Wärme da behalten und nicht ins All abstrahlen, nämlich durch die steigenden Treibhausgaskonzentrationen. Die Klimaforschung hat diese Veränderung vorhergesagt, bevor sie beobachtet wurde, weil man die Physik verstanden hat.
Also wenn die Klimageschichte und die natürlichen Klimaveränderungen eines zeigt, dann dass es ein empfindliches System ist, das wirklich zu starken Ausschlägen neigt, wie eben den Eiszeiten.
Also, es gibt keine stabilisierenden Rückkopplungen, die etwa verhindern würden, dass es hier auf diesem Planeten fünf Grad kälter wird oder auch 5 Grad wärmer.
Hat's ja alles in der Klimageschichte schon gegeben. Also man kann nicht darauf vertrauen, dass das System einfach stabil bleibt, wenn man es so kräftig stört, wie wir Menschen das jetzt tun."
Den Rest kann sich jeder selbst denken und ein Albtraum kann nicht schlimmer sein.
Rahmstorf hat Erfahrungen mit Politikberatung. Auch dazu äußert er sich in dem Interview:
"Als Klimaforscher würde man jetzt gar keine Erwärmung mehr zulassen. Die 1,5 Grad oder 2 Grad Temperaturerhöhung sind ja schon Kompromisse mit dem Machbaren."
Die Politiker werden nicht von Ihren Wählern daran gehindert, die richtigen Entscheidungen zu treffen, sondern von den Lobbykräften der etablierten Wirtschaft.
"Die meisten Politiker haben nicht verstanden, wie gefährlich die Erwärmung ist".
"Kunst der Politik ist es, das Notwendige möglich zu machen"
Stefan Rahmstorf
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