Wolf von Fabeck - 27.03.2020

Wehrlos gegen Corona?

Abbau von Überkapazitäten und Besteuerung von Personal ruinieren das Gesundheitswesen

Der Corona-Schock weist auf eine Schwäche unseres Steuer- und Wertesystems hin

Zukunftsvorsorge: Die Bekämpfung von Krankheiten - insbesondere von Epidemien - sowie die Versorgung einer Großzahl von Katastrophen-Opfern gehören im Rahmen der Zukunftsvorsorge zu den Aufgaben der Kommunen, der Kreise und der Bundesländer.

Geregelt werden solche Angelegenheiten in dem Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze
im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) - einem Bundesgesetz.

In Befolgung dieses Gesetzes wurde auch ein "Strukturfonds" angelegt.
"Zweck des Strukturfonds ist insbesondere der Abbau von Überkapazitäten" heißt es in § 12 des erwähnten Gesetzes. 
Unser Kritikpunkt:

Bereits die Bezeichnung "Über-Kapazität" ist im Zusammenhang mit Zukunftsvorsorge im Gesundheitswesen fehl am Platz!
Sogenannte Überkapazitäten lassen sich zwar rasch abbauen, allerdings nur mühsam wieder aufbauen. Insbesondere die ständige Verfügbarkeit bzw. Mobilisierung von ausgebildetem Personal lässt sich nur mit erheblichem Zeit-, Planungs- und Finanzaufwand erreichen. Ausbildung, Weiterbildung und Wohnortnähe müssen bedacht werden und Urlaubs- bzw. sonstige Vertreter müssen in einem tatsächlichen Arbeits- oder Angestelltenverhältnis nicht nur bereit stehen, sondern auch regelmäßig eingesetzt werden, damit sie in der Übung bleiben. Verlässliche, gut ausgebildete Personalreserven mit der notwendigen Materialausstattung gehören unverzichtbar zur Zukunftsvorsorge.

Erste öffentliche Zweifel an der Einsatzbereitschaft

Deutschlandfunk vom 17. März 2020

Zunächst die zeremonielle Beruhigungs-Erklärung
Die deutschen Kliniken gehen davon aus, dass sich die Zahl ihrer Corona-Patienten bis Ende der Woche verdreifacht.
Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gaß, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, sollte es bis Ende der Woche 20.000 bestätigte Infektionsfälle in Deutschland geben, sei damit zu rechnen, dass davon bis zu 1.500 Patienten in den Kliniken behandelt werden müssten. Die Krankenhäuser seien aber auf einen solchen deutlichen Anstieg vorbereitet und nicht überfordert.

Es folgte dann eine zurückhaltende finanzielle Bedarfsanmeldung
Nun gehe es darum, die Kapazitäten der Intensivstationen von Tag zu Tag auszudehnen. In zwei oder drei Monaten sei es möglich, die Zahl der Intensivbetten von derzeit 28.000 auf rund 34.000 aufzustocken. Auch die Zahl der Beatmungsgeräte müsse erhöht werden. Der DKG-Präsident forderte noch für diese Woche einen finanziellen staatlichen Schutzschirm für alle Krankenhäuser, damit Kliniken in der Corona-Krise nicht pleite gingen.

Schließlich kam der stolze Hinweis auf die wirtschaftliche Bedeutung der DKG
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist der Dachverband der Krankenhausträger in Deutschland. Sie vertritt die Interessen der 28 Mitglieder – 16 Landesverbände und 12 Spitzenverbände – in der Bundes- und EU-Politik und nimmt ihr gesetzlich übertragene Aufgaben wahr. Die 1.951 Krankenhäuser versorgen jährlich 19,5 Millionen stationäre Patienten und rund 18 Millionen ambulante Behandlungsfälle mit 1,2 Millionen Mitarbeitern. Bei 97 Milliarden Euro Jahresumsatz in deutschen Krankenhäusern handelt die DKG für einen maßgeblichen Wirtschaftsfaktor im Gesundheitswesen.

So weit der Deutschlandfunk vom 17. März 2020

Deutschlandfunk vom 27. März 2020 10 Tage später

Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes sieht in Deutschland keine Möglichkeit für eine massive Ausweitung von Coronavirus-Tests. Wie die Vorsitzende der Organisation, Teichert, dem Nachrichtenportal t-online sagte, sind flächendeckende Untersuchungen wie in Südkorea hierzulande nicht machbar. Dafür gebe es zu wenig Personal und zu wenig Laborkapazität. Der öffentliche Gesundheitsdienst sei heruntergespart worden, wobei die Politik weggesehen habe.
So weit der Deutschlandfunk
Unser Kritikpunkt:

Offensichtlich ist unser Staat nicht auf die Abwehr überraschender Katastrophen mit Zehntausenden von Verletzten vorbereitet, wie sie im Zusammenhang mit Extremwetterereignissen auftreten können (z.B. Abrutschen von Berghängen oder ein Tornado über einer Großstadt ect. pp.) Vielmehr orientiert sich der Staat an den Durchschnittswerten einer von Katastrophen verschonten Vergangenheit.
Dieses Vorgehen ist generell weder im Gesundheitswesen noch bei der Unterhaltung einer Verteidigungsarmee noch bei der Finanzierung der Feuerwehr oder des Technischen Hilfswerkes angebracht.

Der bestehende Zwang zur Gewinn-Erzielung ist mit dem Ziel der Zukunftsvorsorge nicht vereinbar. Er führt im gegebenen Fall dazu, dass die Intensiv-Stationen in den Krankenhäusern in unverantwortlichem Maße personell ausgedünnt werden. Mangel an Ärzten und Pflegepersonal würde bei einer Epidemie oder einer großflächigen Katastrophe zum Tod vieler Menschen führen, die bei ausreichender ärztlicher Versorgung und pflegerischer Betreuung hätten gerettet werden können.

Personal ist teuer, weil Personalkosten zusätzlich auch noch hoch besteuert werden

Nahezu jeder, den man darauf anspricht, hat sich an die Besteuerung von Löhnen und Gehältern gewöhnt. Allenfalls flucht er noch über die Steuererklärung, die demnächst wieder ansteht. Aber die Konsequenzen für die Zukunftsvorsorge bedenkt er nicht.

Der Corona-Schock bietet einen Anlass, auch über die Vernachlässigung der Zukunftsvorsorge gründlicher nachzudenken.

Selbstverständlich braucht der Staat Geld.
Aber in Deutschland treibt der Staat über die Lohn- und Einkommensteuer sechsmal mehr Steuergelder ein als über die Energiesteuer.

Zum Beispiel im Jahr 2017:

  • 255 Mrd. € Lohn- bzw. Einkommensteuer
               dagegen nur 
  •  40 Mrd. € Energiesteuer!
Wussten Sie das?

Das Zahlenverhältnis zwischen Lohn und Einkommensteuer auf der einen Seite und der Energiesteuer auf der anderen Seite entscheidet letztlich darüber, welche Art von Betrieben mehr Gewinne machen können, die personalintensiven Betriebe oder die energieintensiven Betriebe und welche von Ihnen letztlich tonangebend sein werden - auch in politischer Hinsicht.

Zu den energieintensiven Betrieben gehören die Anlagen der Großchemie und die Ferntransport-Unternehmen, Alu-Schmelzen, Gießereien, Raffinerien, Hüttenbetriebe, Braunkohleabbau, Walzwerke, Kühlhäuser, Kraftwerke, Massentierhaltung, Intensiv-Landwirtschaft.
Zu den personalintensiven Betrieben gehören unter anderem die sozialen Einrichtungen und mit ihnen auch die bereits angesprochenen Intensivstationen in den Krankenhäusern.

Benachteiligung aller personalintensiven Betriebe

Die weiter oben angesprochenen Probleme infolge der mangelhaft besetzten Intensivstationen finden sich entsprechend auch in anderen Wirtschaftsbereichen.

Unser Kritikpunkt:

Nicht nur die Krankenhäuser zur Versorgung von Opfern einer Katastrophe oder einer Epidemie sind von der Personalsteuer betroffen, sondern generell alle personalintensiven Betriebe im Land, wie die folgenden Beispiele zeigen:

  • Lehrermangel zwingt zur Vergrößerung der Schulklassen und erschwert damit die Schulbildung.
  • Mangel an Altenpflegern und fehlende Fachaufsicht lässt für viele Menschen die letzten Lebensjahre zu einem Albtraum werden.
  • Zeitmangel schließt jeden Versuch der Krankenschwestern aus, den Patienten die notwendigen medizinischen Maßnahmen zu erklären oder wenigstens etwas Trost zu spenden.
  • Mangel an Polizeibeamten vermindert die Sicherheit im Lande.
  • Mangel an Staatsanwälten verhindert die Aufklärung von Verbrechen.
  • Mangel an Richtern und an Gerichtspersonal führt zu ewigem Warten auf dringende Gerichtsentscheidungen. Oft kommt die Gerechtigkeit zu spät!
  • Mangel an ausgebildeten Handwerkern (z.B. Fernsehmechanikern, Änderungsschneidern, Schuhmachern) führt dazu, dass wertvolle Gebrauchsgegenstände mit geringfügigen Mängeln vorzeitig im Müll landen.
  • Mangel an ausgebildetem Eisenbahnpersonal führt dazu, dass dringende Reparaturen an Zügen, Weichen und Bahnübergängen unterlassen werden. Die Lautsprecher-Durchsagen „Grund für die Verspätung ist ein technischer Mangel am Zug“ kommen immer häufiger vor. Mehrfach habe ich auch schon erlebt, dass Züge nicht abfahren konnten, weil Personal, z.B. der Lokführer, fehlte.
  • Mangel an Feuerfliegern macht das Land wehrlos gegen zukünftige Waldbrände.
  • Mangel an ausgebildetem Feuerwehrpersonal und beim Technischen Hilfswerk vermindert die Abwehrkraft gegen Katastrophen aller Art.

Berechtigte Angst vor der Arbeitslosigkeit

Um ihre Gewinnsituation zu verbessern, schließen Betriebe arbeitsintensive Abteilungen und entlassen Personal

Viele kleine und mittelständische Unternehmen leiden derzeit unter den coronabedingten Einschränkungen ihres Betriebes. Die erste Notmaßnahme ist dann die Entlassung von Mitarbeitern. Angestellte und Arbeiter leben zunehmend in berechtigter Sorge um ihren Arbeitsplatz.

Einwanderer und Flüchtlinge werden als Konkurrenten im Wettbewerb um die letzten freien Stellen angesehen. Dies führt zur Ausländerfeindlichkeit. Die geht inzwischen sogar so weit, dass man ertrinkende Ausländer im Mittelmeer nicht mehr retten will.

Hier gehen ethische Grundwerte verloren, selbst im Krieg wurden Schiffbrüchige gerettet“


Überhöhte Besteuerung vom Arbeitslohn ist Kehrseite zur Steuerbefreiung des Energieverbrauchs

Nach § 9a Stromsteuergesetz kann sich fast die gesamte Grundstoffindustrie von jeder Stromsteuer befreien lassen.

Der Staat holt sich die notwendigen Steuergelder für den Staatshaushalt dann bei der Lohn- und Einkommensteuer.

Die Kurzsichtigkeit der Gewerkschaften

Die Gewerkschaften sehen - historisch bedingt - ihre Aufgabe immer noch im Kampf gegen „den Arbeitgeber“ dem sie einen möglichst hohen Lohn abtrotzen wollen.

Anscheinend fehlt die Erkenntnis, dass die in der Gewerkschaft organisierten Arbeiter und Angestellten stärker von Entlassungen als von Lohn- und Gehaltskürzungen bedroht sind. Wirtschaftsfachleute rechnen derzeit (Ende März 2020) mit etwa einer Million Entlassungen in Folge des diejährigen Corona-Wirtschafts-Schocks.
Der Deutschlandfunk meldete am 25.03.2020: Thyssenkrupp Stahlgeschäft soll durch Stellenabbau saniert werden.

Keine Gewerkschaft hat in der Vergangenheit dagegen gestreikt, dass Löhne und Gehälter hoch besteuert werden. Immer nur ging es um Erhöhung der Löhne, nie aber ging es um die Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer! So tragen die Gewerkschaften zum wirtschaftlichen Ruin der personalintensiven Betriebe bei, in denen sogar ihre eigenen Gewerkschaftsmitglieder beschäftigt sind.

Die eigentliche Ursache der Misere liegt allerdings in der Steuerpolitik - im Wahn, man müsse die Energie möglichst gering besteuern, um die Ressourcen der Erde noch besser ausquetschen zu können.