Positive Rückkopplung, Kippelemente, Mitkopplung, Kippen, Rückholen

Welche Bedeutung haben diese Begriffe?

Was uns individuell interessiert, sind folgende Fragen:

  • Brauchen wir Regenkleidung oder Sonnenbrille?
  • Bekommt unser Garten genügend Regen und gibt es keinen Spätfrost?
  • Erträgt Großvater die Sommerhitze gesundheitlich?
  • Werden wir auch zukünftig ein erträgliches Wetter erleben?
  • Was können wir tun, damit das Wetter nicht ungünstiger wird?

Die beiden letzten Fragen, die Frage nach dem zukünftigen Wetter und unserem Einfluss darauf führen zur Klimaforschung.

Wer sich mit Klimafragen erstmalig beschäftigt, empfindet manchmal eine verwirrende Gegensätzlichkeit: Einerseits wird versichert, dass die Globaltemperaturen ständig weiter ansteigen, andererseits gibt es glaubhafte Berichte, dass z.B. in der USA im Februar 2019 beunruhigend kalte Temperaturen von fast minus 40 Grad Celsius gemessen wurden.

Vielleicht kann hier eine Küchen-Erfahrung zum besseren Verständnis beitragen: Wenn man eine tiefgefrorene Tiefkühlkost in Stücke bricht und diese im Kochtopf auf die heiße Herdplatte stellt und dann ab und zu umrührt, findet man manchmal beim Umrühren noch gefrorene Stücke, doch man weiß trotzdem, dass der Inhalt des Topfes bald vollständig aufgetaut sein wird. Ähnlich könnte es auch mit der globalen Erwärmung gehen.
Die verbliebenen gefrorenen Tiefkühlkost-Stückchen sind jedenfalls kein Beweis dafür, dass der Topfinhalt etwa abkühlt. Es gilt vielmehr der Satz von der Erhaltung der Energie: Wenn dem Topf ständig Wärme von der Herdplatte hinzugeführt wird, werden Topf und Inhalt immer wärmer. So geht es auch mit der Globaltemperatur.

Doch nun zur Erläuterung der positiven Rückkopplung

Der Begriff "Positive Rückkopplung" bedeutet nicht etwa „erfreuliche Rückkopplung“, sondern bedeutet, dass ein Effekt (z.B. Auftauen der Permafrostgebiete) seine eigene Ursachen noch weiter verstärkt. Bisweilen spricht man auch von „Kippelementen“.
Eines der bekanntesten Kippelemente ist das Auftauen der Permafrost-Böden.

Permafrost taut auf

Bei den Permafrostgebieten in Nordkanada, Alaska, Grönland und Ostsibirien handelt es sich um ganzjährig tiefgründig gefrorene Sümpfe. Beim Auftauen der Permafrostgebiete entweicht nicht nur CO2, sondern auch noch das besonders klimaschädigende Sumpfgas Methan, welches zusätzlich die Globaltemperaturen noch weiter erhöht und damit zu noch schnellerem Auftauen führt.

"Mitkopplung" Die tatsächlichen Verhältnisse sind sogar noch komplizierter. Die einzelnen Rückkopplungen wirken nicht nur auf ihren eigenen Effekt zurück, sondern auch auf andere Effekte, die möglicherweise geografisch weit entfernt auftreten. Ein einfaches Beispiel: Das Abschmelzen des Grönlandeises verändert die Meeresströmungen weltweit.

Auch völlig unerwartete Effekte treten auf: So hat die Abnahme der Grönland-Eismasse oder der antarktischen Eismasse einen absenkenden Effekt auf den benachbarten Meeresspiegel, weil die Massenanziehung zwischen Eispanzer und Meereswasser zurückgeht. Andererseits ist das Süßwasser, das ins Meer strömt, leichter als Salzwasser. Auch solche Effekte sind abzuwägen.


Es sind mehr als ein Dutzend Rückkopplungseffekte mit unerfreulichen Folgen bekannt. Jeder beeinflusst auch die anderen Rückkopplungen. Dieses Gewirr von gegenseitigen Abhängigkeiten ist mathematisch nicht einmal mehr mit den größten Computern nach der Methode der finiten Elemente exakt darzustellen.
Wo und wann genau welches Wetter herrschen wird, lässt sich also nicht ganz exakt vorhersagen. Doch die Vorhersagen werden immer besser.
Was allerdings feststeht, ist die Tatsache, dass die Zunahme der Klimagaskonzentration in der Atmosphäre zur weiteren Aufheizung der Globaltemperaturen führt. Wenn die von der Sonne gelieferte Strahlungsenergie wegen der Klimagase nicht mehr vollständig in den Weltraum zurückgestrahlt werden kann, dann wird es an der Erd- und Meeresoberfläche eben wärmer und schließlich unerträglich heiß.

Bei den positiven Rückkopplungen unterscheiden sich einerseits die schnell wirkenden Rückkopplungen, insbesondere durch das Medium Wasser (Wasserdampf ist das Medium mit dem höchsten Treibhausgas-Effekt), das seine Materialeigenschaften wie Dichte, Aggregatszustand und Albedo (Rückstrahlfähigkeit) nahezu sprunghaft ändert.
Andererseits gibt es auch die langsam wirkenden positiven Rückkopplungen, z.B. durch das CO2, dessen Konzentration in der Atmosphäre sich nur langsam ändert

Bild 2

Keeling-Kurve 2015

Mit dem Begriff "Kippen" wird schließlich eine nicht mehr zu stoppende Entwicklung bezeichnet, die zu irreversiblen Veränderungen führt. So kann man es als Kippen ansehen, wenn z.B. durch die klimawandelbedingte Verschiebung der Jahreszeiten zwischen Brutgebiet und Winterquartier eine Zugvogelart ausstirbt. Oder wenn der Narwal (der Wal ohne Rückenflosse und mit dem langen nach vorne gerichtetem Horn) endgültig ausstirbt, weil er sich nicht mehr unter der Eisschicht im Nordpolarmeer vor dem gefräßigen Orca-Wal verstecken kann.
Man kann es aber auch als Kippen ansehen, wenn weltweit die Zahl der Wald-, Steppen-, Savannen-, Ernte-, Städte- und sonstigen Brände unaufhaltsam immer weiter zunimmt. Dieser Kippvorgang zeichnet sich durch ein extrem hohes Tempo aus. Er droht nicht erst in einigen Jahrhunderten, wie der Anstieg des Meeresspiegels. Er droht bereits, wie die Ereignisse in Australien gezeigt haben, in wenigen Jahren mit einer weltweiten Feuerhölle.

Das Raumschiff Erde steuert dann geradewegs ins Feuer hinein
schreibt Prof. Schellnhuber, in seinem Buch „Selbstverbrennung“, S. 349

Aus der erdgeschichtlichen Vergangenheit wissen wir, dass das Klimasystem des Planeten Erde bereits ohne Einwirkung durch die Menschheit zu starken Ausschlägen der Globaltemperaturen neigte. Wenn es überhaupt stabilisierende Rückkopplungen gibt, dann sind sie nur sehr schwach. Das unbeabsichtigte „Experiment“, das die Menschheit vor zweihundert Jahren mit ihren extremen CO2-Emissionen begonnen hat, ist deshalb lebensgefährlich. Dass die Menschheit dieses Experiment nicht mit äußerster Entschlossenheit beendet, ist unverständlich, unverzeihlich und möglicherweise tödlich.

Das Überleben der Menschheit ist ohne aktives Rückholen nicht mehr möglich.

"Rückholen von Klimagasen aus der Atmosphäre" wird nicht einfach sein, denn es gilt, die Klimagase schnell und wirksam aus der Atmosphäre und auch aus den Ozeanen zurückzuholen – erheblich mehr und erheblich schneller als dies die Fotosynthese aller Wälder der Welt könnte! Immerhin müssen die Klimasünden von ein oder zwei Jahrhunderten wiedergutgemacht werden.

Das Rückholen muss in drei Schritten erfolgen

  1. die Klimagase aus der Atmosphäre zurückholen,
  2. sie chemisch in klimaunschädliche Kohlenstoffverbindungen mit hoher Dichte umformen (damit sie nicht zu viel Platz beanspruchen und bei unbeabsichtigter Freisetzung das Klima nicht beschädigen). Zum Beispiel Methanol (nicht Methan!), oder Pflanzenkohle aus Vegetationsabfällen,
  3. die unschädlich gemachten ehemaligen Klimagase nutzbringend zu verwenden oder sie sicher unterbringen. Methanol könnte man möglicherweise in leergeförderten Erdölfeldern unterbringen oder in der Chemie verwenden, Pflanzenkohle könnte man zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit unterpflügen.

Ethische Bewertung

Die Tatsache, dass menschliches Verhalten einen Einfluss auf das Klima gehabt hat, ist inzwischen bewiesen und gilt unter Naturwissenschaftlern als Selbstverständlichkeit. Doch dass das zukünftige Verhalten der Menschen Einfluss auf die Klimaentwicklung haben wird – diese praktische Folgerung für die Zukunft wird daraus noch nicht gezogen.
Mir erscheint das wie unterlassene Hilfeleistung

Wer die naturwissenschaftlichen Folgerungen nachvollziehen kann und trotzdem behauptet, der Klimawandel sei harmlos, macht sich m.E. zumindest in ethischer Hinsicht der unterlassenen Hilfeleistung schuldig.


Wolf von Fabeck